«Es gibt keinen schöneren Ort zum Arbeiten»
Text: Daniel Göring, Fotos: Sandro Hügli
Anita von Känel steht vor dem Tisch in der Ecke des Essraums im zweiten Stock des Seniorenparks Weissenau. Sie kommt ins Schwärmen: «Wenn ich Herrn Mauerhofer zum Zmorge die Medikamente bringe, habe ich im Hintergrund den Niesen, dessen Gipfel in der Morgensonne glitzert. Schaue ich nach links, stehen da Eiger und Mönch in ihrer ganzen Pracht. Für mich gibt es keinen schöneren Ort zum Arbeiten.»
Ein befriedigendes Gefühl
Natürlich ist Anita von Känel nicht ausschliesslich der Aussicht wegen im Seniorenpark Weissenau tätig. Als Stationsleiterin liegen ihr die Bewohnerinnen und Bewohner noch etwas mehr am Herzen als die Bergwelt rundherum. «Ich bin seit 35 Jahren in der Pflege und ich komme noch immer jeden Tag mit Freude zur Arbeit. Unsere Bewohnerinnen und Bewohner begleiten zu können, gibt mir ein befriedigendes Gefühl.»
Jeden Tag mit Freude an der Arbeit: Für Anita von Känel übt die Betreuung von betagten Menschen auch nach Jahrzehnten im Beruf eine grosse Faszination aus.
Anita von Känel ist im vergangenen Sommer zum Pflegeteam im Seniorenpark Weissenau gestossen. Anfang März hat sie die Leitung der Station 2 übernommen. Vorerst befristet. Die erfahrene Pflegefachfrau schliesst nicht aus, die Aufgabe definitiv anzunehmen, «sollte es mir den Ärmel so richtig reinziehen». Was es dafür noch braucht, bleibt im Gespräch offen, scheint für sie keine vorrangige Bedeutung zu haben. Viel lieber berichtet Anita von Känel über ihren Alltag und die Erfahrungen mit den Bewohnerinnen und Bewohnern.
Vielfältige Arbeitstage
Ihr Arbeitstag beginnt in der Regel um 7 Uhr. Nach dem Übergaberapport mit den Pflegenden der Nachtwache stellt Anita von Känel die Medikamente für die Bewohnerinnen und Bewohner bereit und bringt sie ihnen an den Frühstückstisch. Während sie ein Auge darauf hat, dass keine der Tabletten liegenbleibt, führt sie bei der Handvoll Personen, die ihr zugeteilt sind, die morgendliche Pflege durch. «Wir müssen multitaskingfähig und flexibel zugleich sein», erklärt sie mit einem Schmunzeln. «Wer in Schemas denkt und gerne nach festen Abläufen arbeitet, wird vermutlich nicht glücklich bei uns.» Zu oft erforderten die Umstände einen zusätzlichen Handgriff hier oder eine andere Vorgehensweise dort.
Anita von Känel auf der grossen Terrasse auf der Station 2 des Seniorenparks Weissenau: «Für mich gibt es keinen schöneren Ort zum Arbeiten.»
Vor und nach dem Mittag sind die Zeitspannen, in denen sich Anita von Känel administrativen Arbeiten widmen kann. Sie visiert Rapporte, prüft die Formulare, auf denen ihre Mitarbeitenden den Pflegebedarf der Bewohnerinnen und Bewohner festhalten, nimmt auch mal einen Telefonanruf entgegen oder hilft einer Lernenden weiter, die fachlich an ihre Grenzen stösst. Meist zwischen 16 und 16.30 Uhr enden ihre vielfältigen Einsätze.
Wie ein Teil der Familie
Den Tag mit betagten Menschen zu verbringen, übt auf Anita von Känel auch nach Jahrzehnten eine grosse Faszination aus. «Ich kann eine Beziehung zu ihnen aufbauen, mit ihnen lachen und weinen.» Besonders gerne hat die Pflegefachfrau, wenn ihr die Bewohnerinnen und Bewohner die Schatztruhe der Erinnerungen öffnen und aus ihrem Leben erzählen.
«Ich kann eine Beziehung zu den Bewohnerinnen und Bewohnern aufbauen.»
«Ich liebe es, zuzuhören. Aus den Geschichten lerne ich immer wieder viel über die Geschichte unserer Region.» Bei manchen Bewohnerinnen und Bewohnern fühle sie sich fast wie ein Teil der Familie, meint Anita von Känel. Bisweilen entstünden enge Verbindungen zu den Angehörigen, die selbst über den Tod der Bewohnerin oder des Bewohners hinaus anhielten. «Den Hinterbliebenen Trost zu spenden, ist für mich stets von Neuem ein berührendes Erlebnis.»
Arbeitsumfeld mitgestalten
Der nahe Bezug zu den Menschen und die Mannigfaltigkeit der Aufgaben machen für Anita von Känel die Arbeit einer Pflegefachfrau im Seniorenpark aus. Eine Arbeit übrigens, die nicht weniger intensiv und herausfordernd sei als jene in einem Spital, wie sie unterstreicht. Es ist eine Sichtweise, die Rita Schärli, Leiterin Pflege und Betreuung im Seniorenpark Weissenau, bestätigt. Um im nächsten Satz einen weiteren Pluspunkt an einem Job in dem Haus zu erwähnen: «Unsere Pflegefachleute können das Arbeitsumfeld mitgestalten und mithelfen, die Betriebsabläufe zu optimieren.»
Anita von Känel beim Stationsrapport. Teamwork wird im Seniorenpark Weissenau gross geschrieben, alle können ihr Arbeitsumfeld mitgestalten und mithelfen, die Betriebsabläufe zu optimieren.
Alles mit dem Anspruch vor Augen, dass sich die Bewohnerinnen und Bewohner aufgehoben fühlen. Wie jener ruhige und zurückgezogene Mann, der intensiver Pflege bedarf. Anita von Känel erzählt, wie er sich eines Tages aus dem Nichts bei ihr für die Arbeit bedankt habe: «Ich schätze es sehr, dass Sie mich so gut pflegen und jeden Tag für mich da sind.»
Zur Person
Anita von Känel ist seit vielen Jahren als Pflegefachfrau im Langzeitbereich tätig. Sie half das Chalet Stampach in Aeschi bei Spiez aufzubauen und arbeitete während 23 Jahren für die Einrichtung. Nach deren Schliessung im Sommer 2022 wechselte sie in den Seniorenpark Weissenau. Anita von Känel wohnt in Aeschi, ist 53-jährig, verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. In der Freizeit fährt sie gerne Ski und ist mit dem Elektrovelo unterwegs. Noch lieber sind sie und ihr Mann mit dem Campingbus auf Achse. Zuletzt reisten sie damit während drei Wochen durch Kroatien.
Kommentare
ich bin dankbar, dass du zu unserem Team gehörst. Dein Einsatz ist toll, du stellst dich immer wieder neuen Herausforderungen!
Danke
Da ist sie mit Leib und Seele dabei.
Auch ich bin schon manchmal froh gewesen um Rat zu holen.
Anita das machst du einfach super.
Ich wünsche dir weiterhin viel Freude bei deiner Arbeit.