Interdisziplinäre Zusammenarbeit: eine Karte, die sticht
Text: Daniel Göring, Foto: Sandro Hügli
Die Karte ist 10 mal 15 Zentimeter gross und zeigt vor einem sattgrünen Hintergrund den Kopf eines Strichfigürchens mit wechselnden Gesichtsausdrücken. Sie reichen von Unsicherheit über Angst bis zu Aggressivität. Darüber steht als Titel «Demenz hat viele Gesichter.» Wer die Karte umdreht, erhält vom Figürchen unter der Überschrift «So verhältst du dich passend» Tipps wie «ruhig bleiben», «klar und einfach sprechen» oder «Orientierung geben».
Dorothea Simmler und ihre Kolleginnen und Kollegen der Demenzgruppe haben die Karte zusammen entwickelt.
Dorothea Simmler nimmt die Karte in die Hand. Die Psychiatriepflegefachfrau, die sich auf den Bereich Alter und Demenz spezialisiert hat, ist zufrieden mit der Aufmachung. «Ich finde die Karte cool. Sie ist simpel und stellt die Schwierigkeiten im Umgang mit dementen Menschen verständlich dar. Diese sind oftmals in der zwischenmenschlichen Beziehung zu finden»
Mitarbeitende sensibilisieren
Die Karte ist das Produkt der Expertengruppe Demenz der Spitäler fmi AG. Sie soll Mitarbeitenden ohne medizinische Ausbildung helfen, adäquat mit Patientinnen und Patienten sowie Bewohnerinnen und Bewohnern umzugehen, die an einer Demenz leiden. Im Fokus steht das Personal der Restauration und der Reinigungsdienste, wie Dorothea Simmler erklärt. Doch in einem Spital oder einem Seniorenzentrum können auch IT-Fachleute oder Verwaltungsmitarbeitende plötzlich vor einer verwirrten Person stehen. Und allenfalls mit der Situation komplett überfordert sein.
Deshalb will die Expertengruppe Demenz die nichtmedizinischen Mitarbeitenden in anderthalbstündigen Schulungen für die Besonderheiten und Herausforderungen im Umgang mit an einer Demenz erkrankten Menschen sensibilisieren. Am Schluss erhalten sie die Karte als «Bhaltis», wie es Simmler formuliert. Sie dient als Gedächtnisstütze, damit sich die Mitarbeitenden später im Alltag daran erinnern, was sie im Kurs gelernt haben. «Menschen mit einer Demenz haben Mühe mit Veränderungen. Deshalb ist es wichtig, dass alle Personen, die mit ihnen zu tun haben, sich eben „passend“ verhalten», betont die Psychiatriepflegefachfrau.
Die interdisziplinäre Expertengruppe «Demenz» : Piero Catani, Leiter Sozialberatung; Dorothea Simmler, Fachexpertin Pflege Psychiatrie; lic. phil. Thomas Kaufmann, Leitender Neuropsychologe; Doris von Känel, Co-Leiterin Senziorenzentren und Daniela Kurzen, Fachexpertin Geriatrie (von links nach rechts).
Medizinische und soziale Fragen klären
Die Expertengruppe Demenz ist vor zwei Jahren entstanden. Auslöser war der Umstand, dass die Menschen in unserer Gesellschaft immer älter und damit verbunden auch die Fälle von Demenz zunehmen werden. «Wir werden künftig im Alltag verstärkt mit Fragen rund um Demenz konfrontiert sein, deshalb braucht es jede unterstützende Hand», sagt Simmler. Die Expertengruppe soll mithelfen, Antworten darauf zu finden. Sie ist interdisziplinär zusammengesetzt. Neben Dorothea Simmler gehören ihr der Leiter der Sozialberatung, eine Heimleiterin, eine Pflegefachfrau aus der Geriatrie sowie ein Neuropsychologe an. Ärztinnen und Ärzte zieht das Gremium bei Bedarf bei.
«Interdisziplinarität ist bei den meisten Behandlungen der Schlüssel zum Erfolg.»
Die Zusammensetzung der Gruppe ist nicht nur ein Abbild dafür, wie die Fachbereiche der fmi-Spitäler vielschichtige Themen angehen, sondern auch Ausdruck davon, wie die Zusammenarbeit je länger je mehr funktioniert: über die Grenzen des eigenen «Gärtchens» hinweg. «Interdisziplinarität ist bei den meisten Behandlungen der eigentliche Schlüssel zum Erfolg», zeigt sich Dorothea Simmler begeistert. So würden nicht nur medizinische Fragen geklärt, sondern auch die sozialen. «Wenn wir einer Patientin mit einer Demenzerkrankung und deren Angehörigen während eines Spitalaufenthaltes die Angst und Anspannung nehmen können so ist das ein riesen Gewinn für alle Beteiligten und erhöht die Chance einer raschen Genesung. Und wenn dann noch eine Begleitung und Beratung nach Austritt angeboten werden kann so ist das ein niederschwelliges top Angebot» Es sind Aussagen, die zeigen, dass die verschiedenen Fachbereiche in der Psychiatrie in Interlaken und Frutigen bei den Behandlungen seit langem auf eine Karte setzen: das Miteinander zum Wohl der Patientinnen und Patienten.
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