Ein Trio an Massnahmen gegen Diabetes
Text: Daniel Göring, Fotos: Sandro Hügli
Frau Anderegg (Name geändert) sitzt in einem Besprechungsraum im Spital Interlaken. Die Rentnerin hat Diabetes Typ 2, früher Altersdiabetes genannt. Ihr gegenüber hat Ursula Steffen, Leiterin der Diabetesfachberatung, Platz genommen. Es ist die dritte Beratungsstunde für Frau Anderegg. «Haben Sie sich Gedanken gemacht, wie Sie zu mehr Bewegung kommen?» will Ursula Steffen von der Patientin wissen. Diese nickt. «Es läuft wohl darauf hinaus, dass ich regelmässiger zu Fuss gehe.»
Dann erzählt die 69-Jährige, dass sie mit einer Nachbarin vereinbart hat, einmal wöchentlich gemeinsam spazieren zu gehen. Die Diabetesfachberaterin ist davon angetan. «Prima, so haben Sie zusammen mit der Turnlektion, die Sie auch noch besuchen, zweimal pro Woche Bewegung. Damit sind Sie auf einem guten Weg.»
Bewährt in Therapie und Prävention
Frau Anderegg ist eine von über 400'000 Personen in der Schweiz mit Diabetes Typ 2. Die meisten von ihnen machen früher oder später Bekanntschaft mit dem Tipp, sich verstärkt zu bewegen. Denn regelmässige Bewegung bildet zusammen mit einer ausgewogenen Ernährung und der Kontrolle des eigenen Gewichts die erste Therapiestufe, wie Ursula Steffen betont. Gleichzeitig gehört das Trio zu den wichtigsten Vorkehren in der Prophylaxe von Diabetes.
«Auch bei Menschen mit Diabetes hat es auf dem Speiseplan Platz für Süsses.»
Abgerundet werden die vorsorglichen Massnahmen laut der Diabetesfachberaterin durch einen möglichst weit gehenden Verzicht auf das Rauchen und die Vermeidung von Dauerstress. Handkehrum weist Ursula Steffen auf zwei Faktoren hin, die mit präventiven Mitteln praktisch nicht beeinflussbar sind: Das Alter und die persönliche Veranlagung. Ältere Menschen und Personen mit Diabetesfällen in der Verwandtschaft würden ein erhöhtes Risiko in sich tragen, die Krankheit zu entwickeln, führt Ursula Steffen aus.
Krankheit akzeptieren
Für zahlreiche Menschen stellt die Diagnose Diabetes ein empfindlicher Schlag dar. Sie sehen ihre Lebensgewohnheiten bedroht und befürchten, auf ihrem Teller werde künftig der Verzicht dominieren. «Viele Leute glauben, sie dürften keine Cremeschnitten oder anderen Süssigkeiten mehr essen», erklärt Ursula Steffen. Um diese Ängste sogleich mit der Bemerkung zu zerstreuen, dass die heutigen Behandlungsmethoden mehr Spielraum liessen als früher: «Auch bei Menschen mit Diabetes hat es auf dem Speiseplan Platz für Süsses, wenn auch in kleineren Mengen als vorher.»
Bei einer medikamentösen Therapie ist der sichere Umgang mit den dazu nötigen Geräten unerlässlich. Das Diabetesfachberatungsteam unterstützt Menschen mit Diabetes bei der Auswahl und beim Erlernen der Handhabung.
Einen Tipp, den die Diabetesfachberaterin ihren Klientinnen und Klienten gleich zu Beginn gibt, ist eigentlich ein simpler: die Krankheit akzeptieren. «Es bringt mehr, die Energie in die Therapie als in den Widerstand gegen Diabetes zu stecken.» Eine erfolgreiche Behandlung setzt für Ursula Steffen zudem fundiertes Wissen voraus. Deshalb spielen Information und Aufklärung in den Beratungen eine grosse Rolle: «Die Patientinnen und Patienten müssen die Zusammenhänge der Krankheit verstehen, um richtig damit umgehen zu können.»
Messbare Ziele
In den meisten Fällen erfordert die Therapie eine Veränderung von Verhaltensweisen. Was dem «Gewohnheitstier» Mensch oft nicht leicht fällt. Aus Erfahrung weiss Ursula Steffen, dass eine Anpassung am ehesten gelingt, wenn die Klientinnen und Klienten sich Ziele setzen, die messbar sind und die sie auf einfache Weise in den Tagesablauf integrieren können. Wie bei Frau Anderegg. Die Rentnerin wird in der nächsten Beratungsstunde mit Sicherheit davon erzählen, wie ihr die Spaziergänge mit der Nachbarin guttun, den Blutzucker gesenkt haben und erst noch eine willkommene Abwechslung im Alltag sind.
Diabetesfachberatung
Die Diabetesfachberatung der Spitäler fmi AG unterstützt sowohl Menschen mit Diabetes als auch deren Angehörige und Bezugspersonen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung von Diabetes ist ein gutes Verständnis der Erkrankung. Die Beraterinnen der Fachstelle erklären Patientinnen und Patientinnen deshalb die Zusammenhänge und Auswirkungen von Diabetes und beraten sie gestützt auf das persönliche Krankheitsbild. Ein wichtiges Ziel der Beratung ist, die Eigenverantwortung der Betroffenen zu stärken. Für langjährige Diabetikerinnen und Diabetiker bietet die Fachstelle auch eine Auffrischung des Wissens an.
Zur Person
Ursula Steffen arbeitet seit 2001 für die Spitäler fmi AG. Anfänglich als Pflegefachfrau tätig, absolvierte sie die zweijährige Ausbildung zur Diabetesfachberaterin und baute die Diabetesfachberatungsstelle auf. Heute leitet sie das dreiköpfige Team der Beratungsstelle. Ursula Steffen sitzt im Vorstand der Berner Diabetesgesellschaft und leitet die Regiogruppe Bern der Diabetesfachpersonen. In Uttigen zu Hause, fährt sie im Sommer oft mit dem Elektrovelo zur Arbeit. In ihrer Freizeit geht sie regelmässig wandern oder liest ein gutes Buch.
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