Damit die sozialen Kontakte nicht abreissen
Text: Daniel Göring, Fotos: Sandro Hügli, Piero Catani
In der Tiefgarage seiner Wohnsiedlung hebt Piero Catani die silbergraue Abdeckung hoch. Zum Vorschein kommt ein pechschwarzes Motorrad mit königsblauen Felgen, Satteluntersatz und Frontpartie. Neben der schnittigen Maschine besitzt Catani drei weitere Töffs und seine Frau eine knapp fünfzigjährige Vespa. «Motorradfahren ist mein Leben», bekennt Piero Catani, «einen Monat nach meinem 18. Geburtstag hatte ich den Lernfahrausweis und seither bin ich auf Töffs unterwegs.» Lange Jahre war dies vor allem an Wochenenden und in den Ferien der Fall. Inzwischen hat er mehr Zeit dafür, denn im vergangenen Juni ist Piero Catani in Pension gegangen.
Beziehungen enger knüpfen
Die langersehnte Reise an die Tourist Trophy, das weltweit älteste Motorradrennen auf der Isle of Man, findet jedoch erst nächstes Jahr statt. Mit ein Grund dafür ist, dass Piero Catani dem Arbeitsleben nicht gänzlich entsagt hat. In einem 10-Prozent-Pensum führt der ehemalige Leiter des Sozialdienstes und des Case Managements weiterhin die Expertengruppe Demenz der Spitäler fmi AG. Das Engagement ist auf ein Jahr befristet, im Sommer fällt der Entscheid, ob die Anstellung von Piero Catani weitere zwölf Monate fortgesetzt wird (siehe auch Kasten). Er wäre einer Verlängerung gegenüber nicht abgeneigt. «Mir gefällt es, Zeit in die wichtige Arbeit für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen zu investieren.»
«Motorradfahren ist mein Leben», bekennt Piero Catani. Seit er in Pension gegangen ist, hat er auch wieder mehr Zeit dafür. Dem Arbeitsleben hat er jedoch noch nicht gänzlich entsagt.
Aus persönlicher Sicht schätzt er, dass die sozialen Kontakte zum Arbeitsumfeld mit der Pensionierung nicht abgerissen sind. Ob das Gespräch zu fachlichen Themen oder der Schwatz während der Kaffeepause – sie haben für Piero Catani als Teilpensionierten eine ganz neue Bedeutung erhalten: «Der Austausch mit Menschen, zu denen ich einen guten Draht habe, ist für mich noch inspirierender als vorher.» Der frühere Leiter des Sozialdienstes und des Case Managements hat auch privat begonnen, Beziehungen wieder enger zu knüpfen. Er erzählt, dass er mit einem Freund, den er seit der Ausbildung kennt, dann und wann auf eine Töff-Tour geht oder einen ehemaligen Arbeitskollegen alle paar Wochen zum Mittagessen trifft.
Gut gerüstet in den Ruhestand
Dann wäre da noch die Frage, die sich frisch Pensionierte häufig anhören müssen: Wie fühlt sich das Leben als Rentner für jemanden an, der jahrein, jahraus Vollzeit gearbeitet hat? Piero Catani überlegt einen Moment, ehe er antwortet: «Ich finde es cool, keinen Termindruck mehr zu haben und nicht immer alles sogleich oder noch früher erledigen zu müssen.» Was nicht heisst, dass er sich abgesehen von einzelnen Fixpunkten dem Gang des Alltag hingeben würde. «Ich erstelle einen Wochenplan, das gibt mir Struktur und danach auch das gute Gefühl, etwas getan zu haben.» Um mit einem Schmunzeln anzufügen: «Einfach so vor mich ‹hinzubläterlen›, wäre nicht mein Ding.»
«Ich empfinde es als bereichernd, über das Pensionsalter hinaus weiterzuarbeiten.»
Piero Catani war «von Amtes wegen» gut gerüstet, als er Mitte 2023 in den Ruhestand ging. Während Jahren hatte er für die Spitäler fmi AG den Vorbereitungskurs für angehende Rentnerinnen und Rentner organisiert und bei der letzten Ausgabe im vergangen November Kolleginnen und Kollegen mit einem Referat über mögliche Freizeitbeschäftigungen informiert. Das Angebot an Kursen und Aktivitäten verschiedener Organisationen sei schier grenzenlos, erzählt er und gerät beinahe ins Schwärmen. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Leute gibt, die nichts Passendes finden.»
Zurück zu seiner persönlichen Situation. Er habe eine gute Balance zwischen Rentnerdasein und Job gefunden, betont Piero Catani und lässt der Aussage gleich zwei Werbesätze für sein Arbeitsmodell folgen: «Ich empfinde es als bereichernd, über das Pensionsalter hinaus weiterzuarbeiten. Dadurch kommt es nicht zu einem totalen Bruch zwischen Arbeits- und Ruhestandsleben.»
Piero Catani hat eine gute Balance zwischen Rentnerdasein und Job gefunden und empfindet es als bereichernd, über das Pensionsalter hinaus weiterzuarbeiten.
Vier Arbeitsmodelle rund um die Pension
Die Spitäler fmi AG begleiten ihre Mitarbeitenden eng auf dem Weg in den Ruhestand. An einem eintägigen Pensionierungs-Seminar erhalten sie im Voraus umfassende Informationen und Tipps, wie Angélique Hulliger, Leiterin Human Resources, ausführt. Die behandelten Themen reichten von Arbeitsmodellen über Ansprüche und Pflichten, finanzielle Auswirkungen bis hin zu Beschäftigungsmöglichkeiten, Sport und Ernährung. So könnten die Mitarbeitenden gut informiert Entscheidungen für ihre Zeit nach dem Arbeitsleben fällen, unterstreicht Hulliger. Ergänzend biete das Unternehmen ihnen auch persönliche Beratungsgespräche an.
Den Beschäftigten der Spitäler fmi AG stehen neben der ordentlichen Pensionierung vier Optionen offen: eine Frühpensionierung, den Beschäftigungsgrad reduzieren mit Rentenvorbezug (Teilpensionierung), den Beschäftigungsgrad reduzieren ohne Rentenvorbezug und – falls es für beide Seiten passt – eine Weiterbeschäftigung über das Rentenalter hinaus. Verträge mit Mitarbeitenden, die im Arbeitsleben verbleiben wollen, schliesst die Spitäler fmi AG laut Hulliger befristet auf ein Jahr ab.
Dies biete Mitarbeitenden und Arbeitgeberin die Chance, nach einem Jahr eine Fortführung der Anstellung zu prüfen. «So können wir rechtzeitig auf Veränderungen reagieren, die sich im fortgeschrittenen Alter oft schneller ergeben als in jüngeren Jahren», erklärt Angélique Hulliger.
Zur Person
Piero Catani leitete während 17 Jahren die Sozialberatung der Spitäler fmi AG und baute während dieser Zeit unter anderem das Case Management auf. Er wohnt in Thun, ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Töchter. Seit seiner Pensionierung hütet Piero Catani zweimal wöchentlich den inzwischen sieben Monate alten Enkel und ist regelmässig per Motorrad unterwegs. Mit seiner Frau will er noch die Welt erkunden, die erste grosse Reise führt die beiden nach Australien. Catani ist Vorstandsmitglied des nationalen Fachverbandes Soziale Arbeit im Gesundheitswesen (Sages) und engagiert sich als Präsident des Allmendingen-Thun-Leists sowie als Mitglied des Grossen Kirchenrats in der Reformierten Gesamtkirche Thun.
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