Glückliche Bewohnerin von Anfang an
Text: Daniel Göring, Fotos: Sandro Hügli
«Wissen Sie, wie man mit Whatsapp telefonieren kann?» Rosmarie Harder sitzt in ihrem Sessel, das Smartphone in der Hand, und schaut den Besucher mit wachen Augen an. Unten am Bildschirm befindet sich die Navigation. Damit lassen sich die Nachrichten, das eigene Profil und auch die Telefonfunktion anwählen. «Sehr gut», entgegnet die 93-Jährige lächelnd, «ich muss jemanden anrufen, aber das mache ich später.» Zuerst nimmt sie sich Zeit für unser Gespräch. Als Zeichen dafür, dass sie dies mit ungeteilter Aufmerksamkeit tun will, klappt sie die Hülle zu und legt das Gerät auf den Nachttisch.
Feinsinniger Humor
Rosmarie Harder ist Bewohnerin des Seniorenparks Weissenau und vor drei Jahren hergezogen – oder wie sie es ausdrückt «hineinkatapultiert» worden. Der Tod ihres Sohnes habe ihr den Boden unter den Füssen weggezogen, erzählt die Rentnerin. Sie lebte damals direkt neben dem Haus des Sohnes in Interlaken, in einer Wohnung, die ebenfalls ihm gehörte. «Ich konnte und ich wollte nicht dortbleiben.»
Ihr anderer Sohn habe kurzerhand im Seniorenpark Weissenau nachgefragt, ob ein Zimmer frei sei, fährt Rosmarie Harder fort. Erfreulicherweise erhielt er eine positive Antwort, die Mutter konnte kurz darauf umziehen. «Ich bin von Anfang an eine glückliche Insassin gewesen» betont die rüstige Seniorin, um sich sogleich zu korrigieren: «Eigentlich darf man nicht Insassin sagen. Das tönt nach Gefängnis, was hier definitiv nicht der Fall ist. Ich bin eine Bewohnerin und rundum zufrieden.» Das charmante Lächeln auf ihrem Gesicht lässt vermuten, dass ein feinsinniger Humor langjähriger, treuer Begleiter von Rosmarie Harder ist.
Lebhaft und immer wieder mit charmantem Lächeln erzählt Rosmarie Harder aus ihrem Leben und weshalb sie sich im Seniorenpark Weissenau besonders wohl fühlt.
Gut aufgehoben
Was behagt ihr denn besonders am Leben im Seniorenpark Weissenau? «Ich bin gut aufgehoben und habe ein schönes Zimmer.» Ihr Blick geht nach draussen, über das begrünte Flachdach hinweg. «Sehen Sie sich diese Aussicht an: rechts die Schynige Platte und links der Harder», schwärmt Rosmarie Harder und nimmt die Namensgleichheit umgehend selbst auf: «Stellen Sie sich vor, auch unsere Wohngruppe heisst gleich wie ich – was braucht es noch mehr, um sich daheim zu fühlen?» Diesmal wirkt das Lächeln noch etwas breiter als ein paar Minuten zuvor.
«Unsere Wohngruppe heisst gleich wie ich – was braucht es mehr?»
Die Betreuung durch das Pflegepersonal ist ein weiterer Punkt auf Rosmarie Harders Positivliste, auch wenn sie am liebsten möglichst wenig davon in Anspruch nehmen will: «Ich bin seit 28 Jahren verwitwet und deshalb sehr selbständig. Ich erledige noch vieles in meinem Zimmer selbst, obschon ich eigentlich nicht müsste.» Als Beispiel hebt sie hervor, dass sie allmorgendlich eigenhändig ihr Bett mache oder sich mit Haferflocken und Joghurt ein Müesli zum Zmorge zubereite. Bisweilen, räumt die Seniorin dann aber ein, müsse sie die Hilfe der Pflege oder des Hausdienstes annehmen, aber es bleibt dabei: «Ich habe Mühe, dies zu akzeptieren.»
Mit dem Chefkoch reden
Bei aller Zufriedenheit mit dem Leben im Seniorenpark: Gibt es auch etwas, das Rosmarie Harder nicht gefällt? Die Antwort kommt postwendend: «Das Essen dürfte ein bisschen länger gekocht sein, vor allem die Nudeln.» Vielleicht sollte sie deswegen das Gespräch mit dem Chefkoch suchen, fügt die Rentnerin wie beiläufig hinzu, ohne klar erkennen zu lassen, ob sie den Gedanken auch in die Tat umzusetzen gedenkt. Wetten, dass sie auf offene Ohren stossen würde, sollte sie ihr Anliegen mit dem gleichen Lächeln vorbringen, das sie unserem Gespräch geschenkt hat?
Nomen est Omen: Rosmarie Harder wohnt im Seniorenpark Weissenau in der Wohngruppe Harder und zeigt in ihrem Zimmer auf den Interlakner Hausberg – den Harder.
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Dani