Der Profi für eine sichere und bequeme Lage
Text: Daniel Göring, Fotos: Louis Pasquier
Freitagmorgen, kurz nach neun Uhr in einem Vorbereitungsraum des Spitals Interlaken: Daniel Demontis begrüsst den auf dem fahrbaren Operationstisch liegenden Patienten und bittet ihn, das Spitalhemd auszuziehen. Unterhalb der rechten Schulter kommt ein mit schwarzem Filzstift aufgemaltes Kreuz zum Vorschein. An dieser Stelle trägt der Mann eine Metallplatte in sich. Sie ist mit sechs Schrauben am Schlüsselbein befestigt, damit dieses wieder zusammenwachsen konnte. Im Februar vor einem Jahr hatte der begeisterte Skifahrer bei einem Unfall auf der Piste den paarigen Knochen gebrochen. Nun ist es an der Zeit, das Metallstück zu entfernen.
Daniel Demontis ist Leiter Lagerungspflege bei der Spitäler fmi AG. Er sieht die Patientinnen und Patienten meist als erster und auch als letzter, bevor sie den Operationsbereich wieder verlassen.
Daniel Demontis bedeckt den Rumpf des Mannes mit einem erwärmten Tuch, wickelt zwei weitere temperierte Tücher um seine Beine und deckt ihn am Schluss mit einer blauen Wärmedecke zu. «Damit stellen wir sicher, dass der Klient im Operationssaal nicht friert», so Daniel Demontis. Er ist Lagerungspfleger und dafür verantwortlich, dass Patientinnen und Patienten während eines Eingriffs nicht nur möglichst bequem, sondern operationstechnisch richtig und sicher liegen.
«Bei einer mehrstündigen Operation könnte eine falsche Lage die Nerven nachhaltig schädigen.»
Will heissen, ihre Position muss so gewählt sein, dass keine Nerven zu grossem Druck durch den eigenen Körper ausgesetzt sind. Dies ist umso wichtiger, je länger eine Operation dauert. «Bei einer mehrstündigen Operation könnte eine falsche Lage die Nerven nachhaltig schädigen», hebt Daniel Demontis hervor.
Vielfältige Materialien
Bei dem Mann mit der Metallplatte im Schulterbereich hat der Leiter Lagerungspflege seine Aufgabe im Moment abgeschlossen. Er überlässt ihn der Anästhesie. Sobald die Narkose eingeleitet ist, wird Daniel Demontis den zweiten Teil der Vorbereitung durchführen. Für jede Form von Eingriff sei eine separate Lagerung erforderlich, erklärt er im zwischenzeitlichen Gespräch. Teilweise würden die Anforderungen stark voneinander abweichen, je nachdem, ob es sich um einen orthopädischen, urologischen oder gynäkologischen Eingriff handle.
Die Lagerungspflege laufe zwar weit gehend im Hintergrund ab, sei aber für einen reibungslosen Ablauf einer Operation unverzichtbar, so Daniel Demontis.
Allein bei den Unterlagen hat der Lagerungspfleger verschiedene Modelle zur Auswahl. Die Operationstische unterscheiden sich in der Form und beim Material, je nachdem ob sie für Eingriffe am Rücken, im Beckenbereich oder an den Extremitäten vorgesehen sind. Hinzu kommen weitere Utensilien, um Körperbereiche zu stützen, zu fixieren oder zu entlasten, wie Daniel Demontis darlegt: Keile, Kissen, Rollen, Stützen, Manschetten. Diese hängen fein säuberlich aufgereiht und griffbereit an Ständern, die sich im Flur vor den Operationssälen befinden.
Kommunikation wichtig
«Wir machen eine Arbeit, die weit gehend im Hintergrund abläuft, aber für einen reibungslosen Ablauf einer Operation unverzichtbar ist», ordnet Daniel Demontis seinen Beruf ein. «Wir sehen die Patientinnen und Patienten als erste und auch als letzte, bevor sie den Operationsbereich wieder verlassen.» Neben den fachlichen Aspekten spiele bei seiner Tätigkeit die Kommunikation eine wichtige Rolle, merkt Demontis an. Patientinnen und Patienten willkommen zu heissen, ist dabei das eine. Auf ihre Ängste und Verunsicherungen vor der Operation oder der Narkose einzugehen das andere. Das heisst für Daniel Demontis, schon mal jemandem Mut zuzusprechen oder eine Person zu beruhigen. Wichtig sei, «dass sich die Klientinnen und Klienten bei uns aufgehoben fühlen».
Dazu gehört auch, deren Anliegen so weit als möglich zu berücksichtigen. «Einige wollen unbedingt das Mobiltelefon in den Operationssaal mitnehmen, damit sie ihre eigene Musik hören können», erläutert Daniel Demontis. Einem solchen Wunsch kann er problemlos stattgeben. Wenig Chancen auf Erfüllung hat hingegen die Bitte des Patienten von vorhin, ihm die Metallplatte nach der Operation als Erinnerungsstück zu überlassen: «Aus hygienischen Gründen dürfen wir diese Teile nicht mehr abgeben», meint der Lagerungspfleger mit einem Schulterzucken
Fachleute für Lagerungspflege wie Daniel Demontis haben die Verantwortung für die fachgerechte und spezifische Lagerung der Patientinnen und Patienten. Persönlich mag er neben der Vielseitigkeit seines Jobs den «Nervenkitzel», dass jeder Tag Unterwartetes bringe, vor allem im Winter mit den Schneesportunfällen.
Persönlich mag Daniel Demontis neben der Vielseitigkeit seines Jobs den «Nervenkitzel», dass jeder Tag Unterwartetes bringt. Vor allem im Winter kann er sich nicht über einen Mangel an überraschenden Einsätzen beklagen. «Knochenbrüche durch Skiunfälle bescheren uns regelmässig eine Menge Arbeit in kurzer Zeit.» Da könne es schon mal vorkommen, dass er von der einen Lagerung zur nächsten eilen müsse.
«Knochenbrüche durch Skiunfälle bescheren uns regelmässig eine Menge Arbeit in kurzer Zeit.»
Kniekissen und Kopfring
Das Telefon klingelt. Daniel Demontis erhält die Information, dass der Patient mit der Metallplatte in der Schulter für den zweiten Teil der Vorbereitung bereitliegt. Im Vorraum des Operationsaals herrscht bei Demontis Ankunft Hochbetrieb: Der Anästhesist, eine Assistenzärztin und eine Anästhesiepflegefachfrau sind im Einsatz. Als erstes schiebt der Lagerungspfleger dem Patienten ein Antirutschkissen unter die Knie. Dann rasiert er den rechten Brustbereich des Mannes, damit die Pflaster, die den Verband nach dem Eingriff halten sollen, gut kleben. Als drittes bittet er den Anästhesisten, den Kopf des narkotisierten Mannes hochzuheben und legt vorsichtig einen Gummiring darunter. So ist der Patient für die Operation ausreichend gestützt.
Zum Schluss bringt er den Tisch in die Liegestuhl-Position: Dabei gelangt der Oberkörper in eine leicht aufrechte Position, derweil die Beine nach unten zeigen. «Alles klar», meint Daniel Demontis und verabschiedet sich vom Operationsteam. In einer guten Dreiviertelstunde wird er den Patienten wieder in Empfang nehmen und ihn in die Tagesklinik begleiten, wo der Mann sich vom Eingriff und der Vollnarkose erholen kann. Wenn alles rund läuft, wird er am Abend wieder nach Hause können. Mit hoffentlich guten Erinnerungen, aber halt ohne das erwünschte metallene Souvenir.
Lagerungspflege
Fachleute für Lagerungspflege tragen im Operationssaal die Verantwortung für die fachgerechte und spezifische Lagerung der Patientinnen und Patienten. Sie sorgen zusammen mit dem Operationsteam für deren Sicherheit und Wohlbefinden. Fachleute für Lagerungspflege verfügen über Kenntnisse in den Bereichen Patientensicherheit und -begleitung, Pflege, Hygiene, Medizintechnik, Chirurgie, Organisation und Kommunikation. Die Lehrgänge in der Schweiz bestehen aus rund 25 Präsenztagen, die über ein Jahr verteilt sind. Voraussetzung für die Ausbildung sind erste Erfahrungen in der Lagerungspflege respektive in einem Operationssaal.
Zur Person
Daniel Demontis ist seit zwölf Jahren in der Lagerungspflege des Spitals Interlaken tätig. Er fing als Assistent an, absolvierte die Ausbildung zum Lagerungspfleger und leitet seit 2020 das elfköpfige Team. Daniel Demontis ist 40-jährig, verheiratet, Vater von zwei Kindern und wohnt mit der Familie in Unterseen. Als engagierter Einsatzleiter ist er mehrmals wöchentlich bei der Feuerwehr Bödeli aktiv. In seiner Freizeit wandert er gerne und ist regelmässig mit Familie und Wohnwagen unterwegs, dies bevorzugt in Italien.
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