«Ich habe jeden Tag Aha-Erlebnisse»
Text: Daniel Göring, Fotos: Louis Pasquier, Sandro Hügli
Wie geht es euch als Lernende im Spital Interlaken und im Seniorenpark Frutigen?
Tim Wälti: Ich bin gut aufgenommen worden im Betrieb und erhalte immer Hilfe, wenn ich sie brauche. Unsere Ausbildenden wollen, dass wir Dinge möglichst rasch selbständig erledigen können und aktiv im Betrieb sind. Das macht Spass.
Louisa Wong: Ich fühle mich gut aufgehoben, erhalte viel Unterstützung und werde vom Team gefördert. Ich komme mir auch nicht immer wie eine Lernende vor, sondern oft schon als «normale» Arbeitsperson. So fägt es.
Warum habt ihr euch für eine Ausbildung in der Pflege entschieden?
Louisa: Ich habe schon immer gerne Kontakt mit den Leuten gehabt und wollte beruflich unbedingt mit Menschen zu tun haben. Die Medizin interessierte und faszinierte mich. Deshalb habe ich mich für eine Ausbildung zur Fachfrau Gesundheit entschieden.
Tim: Ich durfte meine Mutter, die Pflegefachfrau ist, oft an ihrem früheren Arbeitsort begleiten. Mir gefiel die Arbeit sehr und so dachte ich mir: Das könnte ich auch machen.
Ist es von Vorteil, wenn die Mutter ebenfalls in der Pflege tätig ist?
Tim: Nicht unbedingt. Gewisse Dinge kenne ich zwar bereits von ihr, wenn ich erstmals im Betrieb damit zu tun habe, aber grundsätzlich ist es für mich nicht anders als für die anderen Lernenden.
Louisa Wong ist fasziniert von der Medizin und hat gerne Kontakt zu Menschen.
Welches war bisher euer grösstes Aha-Erlebnis?
Louisa: Eigentlich habe ich jeden Tag Aha-Erlebnisse. Es gibt keines, das so richtig hervorsticht. Ich finde es extrem spannend zu sehen, was alles hinter dem Betrieb eines Spitals steckt.
Tim: Mir geht es gleich. Aha-Erlebnisse sind für mich zum Beispiel, wenn ich sehe, wie gut es einer Bewohnerin im Seniorenpark heute geht, von der ich vor einer Woche gedacht habe, dass sie wohl bald sterben würde.
«Ich freue mich für die Bewohnerinnen und Bewohner, wenn sie zwäg sind.»
Tim Wälti schätzt, dass er viel selbständig machen und aktiv sein kann.
Was löst eine solche Beobachtung in dir aus?
Tim: Es sind schöne Momente, die Glücksgefühle auslösen. Ich freue mich für die Bewohnerinnen und Bewohner, wenn sie wieder zwäg sind.
Wie geht ihr damit um, dass in eurem Berufsalltag Menschen sterben?
Louisa: Für mich ist es wichtig, dass ich mich von einer Patientin oder einem Patienten, die ich länger betreut habe, verabschieden kann. Das kann eine letzte Pflege sein oder wie in einem Ritual zum Beispiel das Fenster im Zimmer öffnen. Wir besprechen solche Erfahrungen auch immer im Team, damit wir sie verarbeiten können.
Tim: Ich habe in meinem ersten Lehrjahr noch nicht viel mit sterbenden Bewohnerinnen und Bewohnern zu tun gehabt. Wenn eine Person gestorben ist, die ich gut gekannt habe, bin ich zur Berufsbildnerin gegangen und habe mit ihr darüber gesprochen oder auch zu Hause mit meiner Mutter. Das hat mir geholfen, mit der Erfahrung besser umzugehen.
Wie kommt ihr mit den unregelmässigen Arbeitszeiten zurecht – etwa wenn ihr «bügeln» müsst, während eure Kolleginnen und Kollegen Party machen?
Louisa: Dafür habe ich frei, wenn meine Kolleginnen nicht frei haben! Natürlich ist es manchmal nicht so toll, wenn ich an einem Wochenende arbeiten muss, dafür kann ich an einem freien Mittwoch nach Bern shoppen gehen, wenn es weniger Leute in den Läden hat. Wer sich auf den Job einlässt, muss sich bewusst sein, dass die Arbeitsschichten wechseln. Wir sind in der Pflege nicht allein, das ist in anderen Berufen ähnlich. Wenn ich mal an einem Wochenende etwas mit Freunden unternehmen will, kann ich einen «Frei-Wunsch» eingeben und in der Regel klappt das auch.
Tim:Ich würde es genauso sagen.
«Ich kann von Pflegenden, die bald in Pension gehen, genauso viel lernen wie in der Schule.»
Was werdet ihr später im Job anders machen als die Generationen vor euch?
Tim: Im Arbeitsalltag ändert immer wieder etwas. Wir im ersten Lehrjahr machen Dinge teilweise schon wieder anders als unsere Kolleginnen und Kollegen im dritten Lehrjahr. Früher galt zum Beispiel, dass drei Tücher für die Intimpflege ausreichen, bei uns hat es geheissen, dass wir so viele Tücher benutzen sollen, wie wir wirklich brauchen, um die Arbeit sauber zu erledigen.
Louisa: Ich werde nicht unbedingt alles anders machen wollen. Ich bin der Meinung, dass ich auch von Pflegenden, die bald in Pension gehen, genauso viel lernen kann wie in der Schule.
Von eurer Generation heisst es oft, sie sei bequem und nicht besonders leistungsbereit. Was sagt ihr dazu?
Tim: Es gibt sicher Leute, die das sagen, aber ich glaube nicht, dass es die Mehrheit ist. Wenn jemand so denkt, fände ich das ungerecht und würde zu der Person sagen: «Lass es einfach.»
Louisa: Ich habe mich bewusst für einen Job in der Pflege entschieden und habe gewusst, dass die Arbeit einiges an Einsatz von mir verlangen wird. Ich bin zu diesem Engagement bereit, egal, was andere darüber sagen.
Habt ihr schon Pläne, wie es nach der Lehre weitergeht?
Louisa: Ich möchte die Berufsmaturität machen und dann an der Fachhochschule ein Studium zur Pflegefachfrau absolvieren. Deshalb habe ich mich jetzt für den Vorkurs zur Berufsmaturität angemeldet.
Tim: Mein Ziel ist Rettungssanitäter. Ich könnte mir allenfalls auch vorstellen, weiter zu studieren und Notarzt zu werden.
140 Lernende, 19 Berufe
Rund 140 Lernende durchlaufen im Moment eine Ausbildung bei der Spitäler fmi AG. In den letzten Jahren schwankte die Zahl zwischen 139 und 149. Die Auszubildenden verteilen sich auf gesamthaft 19 Berufe: sechs Lehrberufe, acht Ausbildungen auf Stufe Höhere Fachschule und fünf Ausbildungen auf Niveau Fachhochschule. Im August werden 29 junge Menschen ihre Lehre bei der Spitäler fmi AG beginnen, davon 20 zur Fachperson Gesundheit. Diese absolvieren ihre Lehre schwerpunktmässig im Spital oder im Seniorenpark, profitieren aber fachlich von der örtlichen Nähe und engen Zusammenarbeit der Akut- und Langzeitbetriebe in Frutigen und Unterseen.
Zur Person
Tim Wälti steht im ersten Lehrjahr als Fachmann Gesundheit im Seniorenpark Frutigen. Er ist 16-jährig und wohnt in Frutigen. In der Freizeit fischt Tim gerne und ist regemässig mit dem Boot der Familie auf dem Thunersee unterwegs. Sport ist ihm ebenso wichtig wie mit Kollegen auszugehen.
Zur Person
Louisa Wong befindet sich im zweiten Ausbildungsjahr zur Fachfrau Gesundheit in der Akutpflege im Spital Interlaken. Die 17-Jährige wohnt in Unterseen und liebt es zu singen. Sie absolviert Auftritte entweder solo oder im Duett. Kunstturnen und Lesen sind ihre weiteren Hobbys.
Kommentare
Ich finde das ganz toll, dass du das machst und die Ziele di du hast. Ich wünsche dir für deine Ausbildung und deinen weiteren beruflichen Weg alles Gute und viel Erfolg!