Demenz: Frühzeitige Diagnose ist wichtig
Text: Spitäler fmi AG, Ersterscheinung im Gesundheitsmagazin Beo, Foto: Shutterstock
Zuerst sind es oft nur subtile Veränderungen, die sich die Angehörigen und Freunde nicht erklären können und die den Alltag erschweren: eine vergessene Abmachung, unbezahlte Rechnungen, plötzliche Schwierigkeiten, gewisse Wörter zu finden, verlegte Gegenstände, Unsicherheiten beim Gehen, eine gewisse Antriebslosigkeit – die Liste möglicher Warnzeichen einer Demenzerkrankung liesse sich beliebig fortsetzen.
Vor allem beim Stichwort Vergesslichkeit klingeln die Warnzeichen, doch es gibt auch andere, weniger bekannte Vorboten einer Demenz, sagt Thomas Kaufmann, Fachpsychologe für Neuropsychologie und Leiter des Bereichs PsychiatrieAlter/Konsilien im Spital Interlaken. «Depressive Verstimmungen, Ängste, ein Rückzug vom sozialen Leben oder eine zunehmende Gereiztheit können ebenso Frühwarnzeichen einer Demenz sein wie eine zunehmende Vergesslichkeit.»
Dass die Gedächtnisfunktionen mit zunehmendem Alter abnehmen, sei normal, so der Neuropsychologe: «Eine gewisse Vergesslichkeit kennt jeder, auch junge Menschen. Doch wenn jemand immer mehr Mühe hat, sich in der gewohnten Umgebung zurechtzufinden, sich psychisch verändert und der Alltag immer störungsanfälliger wird, dann lohnt es sich, genauer hinzuschauen.»
Abklärung schafft Klarheit
Eine Abklärung macht aus mehreren Gründen Sinn, unterstreicht Thomas Kaufmann. Je früher eine Demenz erkannt wird, desto besser kann eine Behandlung begonnen werden. Eine Heilung ist zwar nicht möglich, doch mit wirksamen Medikamenten als auch mit Therapien kann der Erkrankungsverlauf allenfalls verlangsamt werden. Ziel ist es, die Selbstständigkeit im Alltag länger zu erhalten und somit die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Es ist zudem auch wichtig herauszufinden, ob nicht vielleicht eine heilbare Ursache wie zum Beispiel Stoffwechselstörungen oder Depressionen hinter den Beschwerden steckt. Immerhin ist dies in fast zehn Prozent der vermeintlichen Demenzerkrankungen der Fall.
Eine frühzeitige Erkennung gibt den Demenzerkrankten und ihren Angehörigen zudem auch die Möglichkeit, selbstständig wichtige Angelegenheiten zu regeln und das Leben mit der Krankheit besser zu bewältigen. «Wird eine Demenz abgeklärt so wissen die Betroffenen und die Angehörigen anschliessend, mit welcher Erkrankung sie es zu tun haben. Dieses Wissen gibt ihnen die Möglichkeit, angemessen darauf zu reagieren, sich zu informieren und sich Hilfe und Unterstützung zu holen.» Thomas Kaufmann hat beobachtet, dass die Angehörigen oft erst nach der Diagnosestellung ins Handeln kommen, ihr Leben neu organisieren oder Hilfe suchen und annehmen können. «Sie merken zwar, dass etwas nicht stimmt, aber bis zur Diagnose sind sie gewissermassen blockiert und im Abwägemodus. Sie suchen andere Erklärungen für das unerklärliche Verhalten ihrer Partner, Eltern oder Freunde – es ist verständlich, dass sie die Veränderungen zuerst nicht wahrhaben wollen und dass ihnen eine mögliche Diagnose Angst macht.»
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Menschen erkranken jährlich neu an einer Demenz
Breit abgestützte Abklärung
Erste Ansprechperson für Fragen rund um eine mögliche Demenz ist der Hausarzt. Dieser prüft, ob eine normale Hirnalterung oder eine hirnorganische Erkrankung vorliegt und führt erste medizinische Untersuchungen durch. Erhärtet sich der Demenzverdacht, kann die Überweisung an die Memory Clinic der Spitäler fmi AG in Interlaken sinnvoll sein. Diese ist spezialisiert auf Abklärungen von Vergesslichkeit und anderen Einbussen des geistigen Leistungsvermögens. Hier werden die Betroffenen umfassend und interdisziplinär untersucht und behandelt. Das Behandlungsteam besteht aus Spezialisten der Fachgebiete Psychiatrie, Neuropsychologie, Radiologie, Neurologie sowie Pflege.
Unterstützendes Netzwerk aufbauen
Nach der Diagnose findet in der Memory Clinic ein erstes Gespräch mit den Patienten und ihren Angehörigen statt, um erste Fragen zu klären. Mit dabei ist auch ein Demenz-Coach der Spitex, der so frühzeitig in die Betreuung und Pflege der Demenzerkrankten einbezogen wird. Diese Fachperson der Spitex koordiniert alle involvierten Leistungserbringen, berät sowohl die Menschen mit Demenz als auch die Angehörigen und hilft dabei, ein tragfähiges Unterstützungs- und Versorgungssystem aufzubauen. «Der Demenzcoach ist einerseits ein Bindeglied zwischen der Memory Clinic, den Hausärzten, Behörden und weiteren Spezialisten, andererseits aber auch Ansprechperson für die Demenzerkrankten und ihre Angehörigen», erklärt Thomas Kaufmann.
Für viele der Betroffenen ist die Diagnose zwar ein Schock, doch heute gibt es im östlichen Berner Oberland zahlreiche Entlastungs-, Unterstützungs-, Therapie-, Abklärungs-, Beratungs- und Hilfsangebote. Verschiedene Leistungsanbieter im Gesundheitswesen, unter anderem auch die Spitäler fmi AG, arbeiten eng zusammen, um Betroffenen beim Umgang mit der Erkrankung zu helfen. Dank dieser Vernetzung und der engen Zusammenarbeit der Psychiatrie der Spitäler fmi AG mit der Spitex Interlaken ist beispielsweise 2019 der Demenzkompass, eine Online-Plattform mit Informationen für Betroffene, Angehörige und Fachpersonen, entstanden. «Unsere Vision ist es, die Patientinnen, Patienten und ihre Angehörigen gemeinsam mit anderen Netzwerkpartnern über den ganzen Krankheitsverlauf hinweg zu begleiten; von den ersten Symptomen bis zum Schluss», sagt Neuropsychologe Thomas Kaufmann und fährt fort: «Wir möchten ihnen Hilfestellungen bieten, damit sie möglichst gut mit der fortschreitenden Erkrankung umgehen und lange zu Hause bleiben können.»
«Unsere Vision ist es, die Patienten und ihre Angehörigen gemeinsam mit anderen Netzwerkpartnern über den ganzen Krankheitsverlauf unterstützend zu begleiten.»
Was ist Demenz?
Demenz ist ein Oberbegriff für verschiedene Erkrankungen, bei denen die Leistungsfähigkeit des Gehirns abnimmt. Betroffen sind häufig Sprache, Motorik, Denkvermögen sowie die Persönlichkeit. Dies wirkt sich zunehmend auf die Fähigkeit aus, den Alltag zu bewältigen. Bei der Alzheimerkrankheit – sie macht mehr zwischen 50 und 75 Prozent der Demenzerkrankungen aus – sterben immer mehr Nervenzellen im Gehirn ab. Bei der vaskulären Demenz (10 bis 25 Prozent) werden Zellen abgebaut, weil das Gehirn zu wenig durchblutet wird. Seltenere Demenzformen sind beispielsweise die Lewy-Body-Demenz, die frontotemporale Demenz oder die Parkinsondemenz; es gibt zudem Mischformen. Die sogenannten sekundären Demenzen werden nicht in erster Linie durch den Abbau von Hirngewebe hervorgerufen, sondern sie sind die Folge anderer Erkrankungen, z.B. Depressionen, hormonelle Störungen, Infektionen, Hirnblutungen, Missbrauch von Alkohol und Medikamenten.
Beratung, Begleitung von Angehörigen
Bereits heute sind in der Schweiz über 146 000 Menschen an Alzheimer oder einer anderen Form der Demenz erkrankt. Häufig sind es Angehörige, welche dafür sorgen, dass die Menschen mit Demenz trotz zunehmenden Schwierigkeiten im gewohnten Umfeld wohnen können. «Die Angehörigen sind eine wichtige Unterstützung, damit die Demenzerkrankten weiterhin in ihrem gewohnten Umfeld leben können», sagt Neuropsychologe Thomas Kaufmann, «es ist daher wichtig, den Fokus auch auf sie zu richten.» Die Memory Clinic bietet individuelle und bedürfnisgerechte Beratungen für Angehörige an.
Informationen zu Demenz und Unterstützungsangeboten sind u.a. hier zu finden: www.demenzkompass.ch, www.alz.ch (Alzheimer Schweiz)
Zur Person
Lic. phil.Thomas Kaufmann leitet den Bereich «Alter und Konsilien» der Spitäler fmi AG. Er verfügt über eine 19-jährige Berufserfahrung als klinischer Neuropsychologe. Nach seiner Erstausbildung zum Primarlehrer hat Thomas Kaufmann auf dem zweiten Bildungsweg das Studium der Psychologie / Neuropsychologie absolviert. In Ergänzung zu seinem Fachtitel «Fachpsychologe für Neuropsychologie FSP» hat er sich in der Gerontopsychologie weitergebildet und ist zertifizierter neuropsychologischer Gutachter SIM.
Thomas Kaufmann ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. In seiner Freizeit verbringt er gerne Zeit mit seiner Familie, interessiert sich für Themen rund um die Digitalisierung und spielt Trompete.
Kontakt:
Spitäler fmi AG, Spital Interlaken
Psychiatrische Dienste
Weissenaustrasse 27, 3800 Unterseen
Tel.-Nr. +41 33 826 23 21 (Sekretariat)
psychiatrieextra@spitalfmi.ch
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