Die komplexeren Fälle haben zugenommen
Text: Daniel Göring / Bettina Grässli, Fotos: Bettina Grässli
Das fünfköpfige Team mit den Büros im Haus E des Spitals Interlaken ist ein alteingesessenes: Nebst ihrem Leiter, Piero Catani, der bereits über fünfzehn Jahre als Sozialberater bei den Spitäler fmi AG tätig ist, können auch die meisten seiner Teamkolleginnen und -kollegen auf viele Jahre im Spital zurückblicken. Rund ein Drittel aller Patientinnen und Patienten haben im Verlauf ihres Aufenthalts Kontakt mit der Sozialberatung oder dem Case Management.
Früherkennung A und O
Die beiden Case Managerinnen Jens Störzel und Theres Reist erkennen diejenigen Personen, bei denen für den Austritt die Unterstützung durch die Sozialberatung oder des Case Management nötig ist. Bei einer Rückkehr nach Hause mit Hilfe von Spitex oder mit einer Reha / Kur bleiben die Fälle bei den Case Managern, bei komplexeren Situationen wie Heimeintritten, versicherungstechnischen sowie finanziellen Fragen oder Familiengesprächen werden sie von den Sozialarbeitenden betreut. Durch die Teilnahme an verschiedenen Rapporten, durch die Einbindung in Behandlungsteams und das gute Netzwerk mit externen Partnern wie Langzeitinstitutionen oder Behörden können schwierige Fälle schneller erkannt und optimale Lösungen zum Wohl der Menschen gefunden werden.
«Alt werden kann mühselig sein»
Obwohl ein früher Heimeintritt vieles erleichtern würde, hören die Sozialarbeitenden immer wieder den Satz «Ich gehe nie ins Heim»; er ist wie ein Abwehrreflex. Und er komme praktisch immer, auch wenn es den Betroffenen noch so schlecht gehe. «Alt werde cha mühsam si!», zitiert Catani einen oft gebrauchten Satz von Patientinnen und Patienten. Viele Menschen bewegten sich mit zunehmend hohem Alter zu wenig, würden dadurch immer weniger aktiv und bewegten sich noch weniger. Ein Teufelskreis.
«Oft fällt der Satz:
‹Ich gehe nie ins Heim›.»
In den vergangenen Jahren hätten die komplexeren Fälle zugenommen, erzählt Piero Catani. Dadurch, dass die Menschen immer älter würden, stiegen auch die Demenzerkrankungen an, «das spüren wir gut». An Demenz erkrankte Menschen würden meist von ihren Angehörigen betreut. Diese holten lange keine fremde Hilfe und Unterstützung, bis die Situation eskaliere. Auch Einsamkeit oder Verwahrlosung hätten zugenommen, erklärt der Leiter der Sozialberatung. In Extremfällen müsse er dann eine Gefährdungsmeldung machen. Ob die Pandemie die Einsamkeit verstärkt hat, kann Piero Catani so aber nicht sagen.
«Und was kostet denn das?»
Ein grosses Thema bei der Sozialberatung sind die Kosten. «Was kostet denn das?» sei eine häufige Frage und Sorge im Hinblick auf einen möglichen Heimeintritt. «Und was kostet es denn nun?» fragt Catani denn auch gleich sein Gegenüber mit spitzbübischem Lächeln. Weil diese Frage oft darüber entscheide, ob sich jemand zum Heimeintritt entschliesse, helfe sein Team meistens auch den Anspruch auf Ergänzungsleistungen abzuklären. Den Sozialberatenden ist es wichtig, dass alle Beteiligten gut über die Kosten eines Heimeintrittes und die Möglichkeiten diese zu decken informiert sind.
Ein schwierig zu erkennendes Problem sei «Alkohol im Alter», erklärt Catani. Dieses anzusprechen, sei nicht einfach. Oder es komme beispielsweise vor, dass jemand schlicht die Krankenversicherung nicht bezahlt oder gar keine mehr habe. Allgemein seien Versicherungsfragen ein grosser Teil der Arbeit.
Wichtig sei auch, neue Bedürfnisse zu erkennen und aufzunehmen. Beispielsweise deshalb leitet Piero Catani die «Expertengruppe Demenz». Diese will die Mitarbeitenden der Spitalgruppe stärker auf das Thema sensibilisieren und unter anderem Bildungsmöglichkeiten anbieten. Auch ist er in der spitalinternen Arbeitsgruppe «Palliative Pflegeplätze» aktiv.
Gute Gesprächsführung wichtig
Die Kunst der Gesprächsführung ist für die Sozialberatenden, die oft Rundtischgespräche durchführen, zentral. «Ich würde mal behaupten, dass wir die wohl am besten ausgebildeten Personen am Spital im Hinblick auf Gesprächsführung sind», erklärt Catani. Denn Kommunikation sei fester Bestandteil ihrer Ausbildung. Er persönlich habe durch sein Alter und die langjährige Erfahrung im Gespräch oft Vorteile, fügt er hinzu. Wer Piero Casani zuhört, kann sich gut vorstellen, dass seine ruhige und angenehme Art deeskalierend wirkt.
Zur Person
Piero Catani leitet die Sozialberatung und Case Management der Spitäler fmi AG. Er ist seit 37 Jahren als ausgebildeter Sozialarbeiter im Gesundheitswesen tätig und hat sich in den Bereichen Case Management, Mediation und Verbandsmanagement weitergebildet. Piero Catani ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Töchtern. Seit kurzem ist er Grossvater und freut sich auf seine Pensionierung im Sommer 2023, wenn er mehr Zeit haben wieder, mit seiner Frau die Welt zu erkunden, den Enkel zu hüten oder Motorrad zu fahren. Er lebt in Thun, wo er sich auch stark ehrenamtlich engagiert.
Kontakt
Spitäler fmi AGSozialberatung und Case Management
Tel-Nr. +41 33 826 27 80 *
sozialberatungextra@spitalfmi.ch
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